


Ein Jahr ist vergangen, seitdem wir, Joy und ich, nach Schlans zurückgekommen sind. Jessy hat tapfer gekämpft, und die gute, liebevolle Pflege im Tierspital hat ihr geholfen, drei Wochen später ebenfalls wieder ihre Herde und ihr Daheim zu finden. Soweit wäre alles wieder ins Lot gerückt, aber eben, nur soweit. Die Enttäuschung sass tief, ein Traum, so lange in meiner Phantasie erlebt, nun ausgeträumt, verschwunden. Und zusätzlich die Erkenntnis, dass Joy und ich neue Beziehungsgrundlagen aufbauen müssen. Die Angst, wieder unangenehme, sogar gefährliche Zwischenfälle zu erleben, hat unser gegenseitiges Vertrauen tief beeinträchtigt. Die Freude, zusammen etwas zu unternehmen, war nicht mehr vorhanden. Und so beschloss ich, mit ihm bei Pascale in Sax eine gründliche Ausbildung zu machen. Im August wurden wir abgeholt, um einige Monate im St. Galler Rheintal zu verbringen. Na ja, ich will nicht allzu viel über den Transport erzählen, nur, dass Joy sich an der Stirn eine zünftige Schnittwunde geholt hat, die als erstes bei unserer Ankunft genäht werden musste. - Dieses Jahr hatte es in sich....
Ich lernte enorm viel über den Umgang mit Pferden. Über eine artgerechte Haltung und über das natürliche Verhalten einer Herde in Freiheit, so gut dies in der Schweiz möglich ist. Joy, der zu Hause immer der Chef war, musste sich seinen Gefährten unterordnen. Sicher nicht ganz einfach für ihn. - Er lernte auch die Grundregeln des Respektes gegenüber mir und anderen Menschen. Eine bittere Notwendigkeit, denn seine Kraft und sein Temperament führten immer wieder zu unkontrollierbaren Situationen, wie wir sie zusammen auf unserer Reise erlebt haben.
Joy hatte Heimweh. Ich fühlte, dass er nicht glücklich war. Und ganz leise stellten sich auch physische Beschwerden ein. Zuerst ein bisschen Husten, dann, schon heftiger, sein "Hahnentritt", der ihm ein freies Bewegen der Hinterhand nicht mehr erlaubte. Und zuletzt kam noch ein Hinken vorne. Ich war unglücklich über die Entwicklung der Dinge, ich versuchte, ihm zu erklären, dass unsere Ausbildung für einen gemeinsamen weiteren Weg beinahe lebenswichtig sei, und versprach ihm, dass wir, sobald ich ohne Gefahr mit ihm ausreiten kann, und er mir wieder voll vertraut, zurück nach Hause kehren. - Ich bin sicher, dass er mich verstanden hat, aber seine angeschlagene Gesundheit und seine Niedergeschlagenheit waren schon zu weit fortgeschritten. Wir mussten ihn notfallmässig ins Tierspital bringen. Diagnose: eine Knocheninfektion des Hufbeins. Für ein Pferd kann dies eine lebensgefährliche Komplikation sein. Joy hatte Glück, er wurde notfallmässig operiert, und überstand auch die Kolliken, die folgten. Ebenfalls ernst zu nehmen...! Als wir ihn zwei Wochen später nach Hause holen wollten, erlitt er im Anhänger eine Panikattacke und hat sich erneut eine tiefe Platzwunde geholt, die wieder genäht werden musste. Zum Glück geschah dies noch auf dem Parkplatz des Tierspitals. - Na ja, dank Pascale und ihren guten Kenntnissen verheilte der operierte Huf ziemlich schnell, sodass wir ihn nicht mehr alle Tage verbinden mussten, und Joy wieder regelmässig ausgeführt werden konnte. Unsere gemeinsamen Spaziergänge wurden täglich länger und auch "anständiger". Joy lernte, mich in jeder Situationen zu respektieren, und ich lernte, immer (oder fast) das Leittier zu bleiben. Die Lektionen, die Pascale uns vermittelte, waren für uns beide spannend und voller Freude. Ich erkannte mein Pferd endlich wieder. Unser gegenseitiges Vertrauen wuchs jeden Tag, Joy blühte auf und unsere Heimreise rückte in die Nähe. Unterdessen war das schwierige Jahr zu Ende, und 2011 verspricht einen Neuanfang voller guter Dinge. Nur, um zurück zu fahren, musste Joy wieder Vertrauen in sein enges, fahrendes Verliess, nämlich den Anhänger, finden. - Diese Aufgabe übernahm Pascale, zum Glück, ich erinnere mich nur allzu gut, wie sie ihn nach einem der ersten Versuche zwei Stunden später schweissüberströmt und müde, aber um einen kleinen Schritt dem Erfolg näher, zurück zu seinen Gefährten brachte. Die Kunst des Verladens besteht darin, dass das Pferd freiwillig und im Vertrauen einsteigt und bleibt. Bei Joy war dies eine tägliche Übung während mehrerer Wochen bis dies in einer grossen Selbstverständlichkeit geklappt hat.
Seit etwa zweieinhalb Monaten sind wir zurück, bei uns in den Bergen. Joy geht es gut, er und seine Tierfreunde haben sich riesig über die Heimkehr gefreut, und nach all den Erlebnissen freuen wir uns über jedes gemeinsame Zusammensein, über unsere Ausritte zusammen mit Missy und Jeannette. Das neu gewonnene Vertrauen zwischen meinem Joy und mir lässt mich das ganze Glück der Erde auf dem Rücken meines Pferdes erleben.